Gangolf Hübinger
Frankfurter Köpfe
Alle kennen Gottfried Benn. Den großen Dichter, der so expressiv die moderne Welt besang. Der für ganz kurze Zeit in den Nazis die Erlösung von allem Übel begrüßte. Und der in den 1950er Jahren als Poet des unbehausten Ich gefeiert wurde.
Frankfurt macht ihn jetzt als einen seiner leuchtenden Köpfe öffentlich sichtbar, und den nicht ganz so berühmten Dichterfreund Klabund (Alfred Henschke) gleich mit. Beide absolvierten zu Beginn des 20. Jahrhunderts am Königlichen Friedrichs-Gymnasium ihr Abitur und wohnten in derselben Schülerpension in der Gubener Straße. Dort wird am 28. Juni eine Erinnerungstafel enthüllt, die auf ihr Schülerleben in der Stadt hinweist. Heimlicher Held dieses städtischen Erinnerns ist deshalb das Friedrichs-Gymnasium selbst, dem im Laufe der Geschichte so manch kluger Kopf entsprungen ist. Gottfried Benn verewigte es in seiner Lebensbeschreibung und sprach vom Glück, „auf ein humanistisches Gymnasium“ gekommen zu sein.
Die Tafel für Benn und Klabund bildet den Auftakt zumProjekt „Frankfurter Köpfe“ der Netzwerkstatt Frankfurt (Oder). In Frankfurt gibt es bislang nur vereinzelt Erinnerungstafeln an den Wohnhäusern oder Wirkungsstätten verdienter Bürgerinnen und Bürger. So etwa in der Halben Stadt für den jüdischen Rechtsgelehrten und Politiker Eduard von Simson, den ersten Präsidenten des Reichsgerichts im Deutschen Kaiserreich.
Wenn demnächstdas Projekt der „Frankfurter Köpfe“ Fahrt aufnimmt, dann kann bis zum Stadtjubiläum von 2028 ein Netz von Erinnerungsorten als biographischer Wegweiser durch Frankfurts reiche Geschichte dienen. Hierfür braucht esgute Auswahlkriterien. So muß nicht gerade Hermann (von)Wissmann dazugehören, Bismarcks gnadenloser Kolonialkrieger, dem Frankfurt mit guten Gründen schon Anfang der 1950er Jahre die Ehre eines Straßennamens wieder entzogen hat.
Besser orientieren wir uns an Stefan Zweig, dem wir ein stolzes Buch über „Sternstunden der Menschheit“ verdanken.Bei Zweig selbst finden nur ganz große Namen einen Platz. Aus Frankfurt wäre das Heinrich von Kleist. Aber im Geiste Zweigs verfügt jede Stadt über so manche Charaktere, die immer wieder auch zu kleinen Sternstunden des Menschseins beigetragen haben. Um solche Frankfurter Köpfe geht es.
Erschienen in: Märkische Oderzeitung vom 13. Juni 2024, S. 15.