Netzwerkstatt für Frankfurt

Studie Steuerkraft der Stadt

Frankfurt fehlt die finanzielle Basis                                                                           Aus: Märkische Oderzeitung, 25. 10. 2025

Studie Steuerkraft der Stadt liegt mit 22 Prozent weit unter dem bundesweiten Durchschnitt von 40 Prozent. Von Heinz Kannenberg

Die Stadt Frankfurt (Oder) verfügt über eine deutlich unterdurchschnittliche Steuerkraft – nur 22 Prozent im Vergleich zu 40 Prozent bundesweit. Diese strukturelle Schwäche macht eine solide Haushaltsführung nahezu unmöglich. Zu diesem Schluss kommt eine Bachelorarbeit der Europa-Universität Viadrina. Sie zeigt: Trotz punktueller Fortschritte bleibt die finanzielle Lage der Stadt angespannt. Vor allem im strukturschwachen Osten Deutschlands stehen viele Kommunen vor ähnlichen Herausforderungen – wie eine weitere Bachelorarbeit zu Görlitz und Cottbus verdeutlicht.

Foto: Heide Fest

Die Untersuchung von Joan Eichhorn belegt, dass Frankfurt zwar seine Haushaltslage in jüngerer Zeit scheinbar verbessern konnte – etwa durch die Reduzierung von Kassenkrediten. Doch diese Erfolge beruhen fast ausschließlich auf Hilfen des Landes Brandenburg, nicht auf eigener wirtschaftlicher Kraft. Die Einnahmeseite bleibt schwach: Die geringe Wirtschaftsstruktur macht die Stadt anfällig für Konjunkturschwankungen, wie 2022 durch einen pandemiebedingten Gewerbesteuereinbruch sichtbar wurde. Der drastische Unterschied zur bundesweiten Steuerkraft unterstreicht die finanzielle Abhängigkeit Frankfurts. Die Stadt kann viele Ausgaben nicht aus eigener Kraft decken. Gleichzeitig steigen die Belastungen – etwa durch höhere Ausgaben für Pflichtaufgaben wie Kitas, Schulen und soziale Leistungen. Für "freiwillige Aufgaben" wie Kultur oder Sport fehlen die finanziellen Spielräume. Die Ursachen der Verschuldung bleiben also bestehen.

Ein weiterer Risikofaktor ist laut Eichhorn die demografische Entwicklung. Der Rückgang der Erwerbsbevölkerung führt zu sinkenden Steuereinnahmen, während die sozialen Kosten steigen. Die strukturellen Ursachen für die finanzielle Notlage – wirtschaftliche Schwäche, Bevölkerungsverlust und geringe eigene Einnahmemöglichkeiten – bleiben bestehen. Frankfurt hat eigene Konsolidierungsmaßnahmen ergriffen, darunter die Erhöhung der Grundsteuer und die Erstellung von Sparkonzepten. Diese Schritte konnten den Haushalt stabilisieren, aber nicht nachhaltig konsolidieren. Ohne externe Hilfen, wie den kommunalen Rettungsschirm des Landes Brandenburg, wäre eine Schuldenreduzierung kaum möglich gewesen.

Eine zweite Bachelorarbeit von Paula Oschika analysiert die finanzielle Situation von Cottbus und Görlitz – ebenfalls strukturschwache Städte im Osten. Der Vergleich zeigt: Die Ausgangssituation ist ähnlich – z. B. durch Peripherielage, wirtschaftlichen Wandel oder demografische Entwicklung. Doch die Entwicklung unterscheidet sich, zum Teil deutlich. Cottbus konnte dank eines Entschuldungsprogramms des Landes (über 100 Mio. Euro) und eigener Maßnahmen – etwa Digitalisierung, Steueranpassungen und interkommunale Kooperationen – die Verschuldung deutlich senken. Die Stadt verzeichnet inzwischen wieder einen positiven Haushaltssaldo. Cottbus kann sich zudem als wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Zukunftsstandort besser positionieren – auch dank Projekten wie dem Bahnwerk, der Medizinischen Universität Lausitz und der Brandenburgischen Technischen Universität. Damit hat sie einen Vorsprung gegenüber anderen Städten der Region. Görlitz hingegen ist in einer schwierigeren Lage. Zwar wurde die Pro-Kopf-Verschuldung zwischen 2016 und 2022 deutlich gesenkt, doch neue Großprojekte – etwa der Bau einer Oberschule – zwingen die Stadt zu neuen Kreditaufnahmen. Zudem wird ab 2025 ein Haushaltsdefizit von 19 Millionen Euro erwartet. Die Stadt reagiert mit Gebührenerhöhungen (Kita, vierfach höhere Parkgebühren, Vergnügungssteuer) und diskutiert über neue Abgaben wie eine Tourismussteuer.

Trotz unterschiedlicher Ansätze bleibt laut den beiden Studierenden die gemeinsame Herausforderung bestehen: Strukturschwache Städte können sich ohne gezielte Unterstützung nicht selbst finanzieren. Fehlende Einnahmen, hohe Sozialausgaben und notwendige Investitionen überfordern die kommunalen Haushalte. Frankfurt und Görlitz haben kaum eigene Spielräume. Cottbus profitiert aktuell von gezielten Investitionen und Bundes- sowie Landesmitteln, steht aber ebenfalls unter Druck. Joan Eichhorn empfiehlt für Frankfurt gezielte Maßnahmen: die verstärkte Nutzung von EU-Förderprogrammen, Investitionen in digitale Infrastruktur sowie eine vertiefte Zusammenarbeit mit der polnischen Nachbarstadt Słubice. Diese könne nicht nur Verwaltungskosten senken, sondern neue finanzielle Potenziale erschließen. Doch ohne stärkere und gezieltere Unterstützung auf Landes- und Bundesebene bleibt die kommunale Selbstverwaltung in vielen strukturschwachen Städten gefährdet. Es braucht jedoch nicht nur Geld, sondern auch mehr Planungssicherheit und Flexibilität bei der Mittelverwendung. Nur so können Städte wie Frankfurt, Görlitz und Cottbus langfristig attraktiv, handlungsfähig und zukunftsfest bleiben. 

Die beiden Bachelorarbeiten wurden an der Europa-Universität Viadrina durch die Professoren Drahomir Klimsa und Fabian Bald betreut und durch die Frankfurter Netzwerkstatt initiiert sowie unterstützt. Die beiden Professoren der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät wollen weitere Arbeiten zu den kommunalen Finanzstrukturen vergeben. 

Kurzkommentar:   Uni-Wissen für die Stadt

von Heinz Kannenberg

Die beiden Bachelorarbeiten zeigen eindrucksvoll, wie wissenschaftliche Analysen der Viadrina konkrete Impulse für die Stadtpolitik liefern können. Dass Studierende sich mit der Finanzlage von Frankfurt (Oder), Görlitz und Cottbus so tiefgründig auseinandersetzen, stärkt nicht nur das Verständnis für kommunale Herausforderungen – es zeigt auch, wie fruchtbar die Zusammenarbeit zwischen Universität und Stadtgesellschaft sein kann. Forschung wird hier zum Werkzeug für kommunale Zukunftsgestaltung. Ein starkes Beispiel für angewandte Wissenschaft vor Ort.