Videos von der Eröffnungsveranstaltung der Gedenktafel für Klabund und Gottfried Benn in Frankfurt (Oder), initiiert durch die Netzwerkstatt Frankfurt (oder), am 28.6.2024 in der Gubener Straße 31A.
Die Veranstaltung wurde moderiert von Dr. Martin Wilke, musikalisch umrahmt von Sven Loichen. Neben dem Einweihungsakt durch Sponsor Christoph Bruckhoff sind die Reden des Repräsentanten der Gottfried Benn Gesellschaft, des Experten Hans Jürgen Rehfeld, und des Oberbürgermeisters René Wilke als Videos abrufbar.
Persönliches Wort von Christoph Bruckhoff zur Enthüllung der Gedenktafel
Sehr verehrte Damen und Herren,
bevor ich gleich die Tafel enthülle, sei mir ein persönliches
Wort erlaubt.
Heute geht für mich ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung. Seit
unsere drei Kinder auf dem Friedrichsgymnasium waren und ich
erfuhr, dass dort auch unsere beiden Dichter zur Schule
gegangen waren, entstand bei mir die Idee, für diese eine
Erinnerungstafel zu stiften. Im Buntbuch von Herrn Rehfeld fand
ich dann ein Foto von diesem Haus Gubener Str.31a, in dem die
beiden als Gymnasiasten wohnten.
Fast täglich bin ich über Jahre hier vorbeigegangen und jedes
Mal musste ich daran denken. Nun erfüllt es mich mit großer
Freude, diese Tafel heute enthüllen zu dürfen.
Ich wünsche mir, dass möglichst viele Bürgerinnen und Bürger
vor dieser Tafel stehen bleiben und sich daran erinnern lassen,
dass die Dichter Gottfried Benn und Alfred Henschke alias
Klabund auch einst in unserer Stadt gelebt
haben.
mit Anklicken des Fotos sehen Sie das Panorama Foto, gespeichert auf Flickr:
Grußwort der Gottfried Benn Gesellschaft:
Sehr geehrter Herr (Ober)Bürgermeister, sehr geehrter Herr Bruckhoff, meine Damen und Herren,
zur Enthüllung der Gedenktafel für Gottfried Benn und Klabund überbringe ich Ihnen die herzlichen Grüße der Gottfried-Benn-Gesellschaft. Peter Lingens, unser Vorsitzender, wäre gerne selbst gekommen, aber er befindet sich zurzeit im Urlaub.
Die Gottfried-Benn-Gesellschaft wurde 1998 gegründet, um die Forschung zu Leben und Werk Gottfried Benns zu fördern. Das tun wir mit großem Engagement, aber auch kritisch, denn seine Zustimmung zur Nazi-Regierung im Jahr 1933 bleibt ein dunkler Fleck. Allerdings erkannte er seinen Fehler schon 1934 und wurde zum Kritiker des Regimes, das ihn 1938 mit einem Publikationsverbot belegte.
Gottfried Benn - das ist ein Universum. Wer sich einmal mit seinen Gedichten der 1920er bis 1950er Jahre beschäftigt, wird Sätze lesen, die er nie vergessen kann. Benn ist nicht denkbar ohne die Einflüsse durch die vorhergehende und zeitgenössische Literatur und Wissenschaft; zu ihm gehören die vier politischen Systeme, unter denen erlebte; zu ihm gehören seine Fehltritte und seine Rückzugsmanöver; seine Reiseziele und -erfahrungen. Und zu ihm gehören seine Bekanntschaften und seine wenigen wirklichen Freunde, darunter Klabund, und - nicht zu vergessen - seine vielen Freundinnen und Geliebten. Eine Gedenktafel wie diese ist geeignet, dass Interesse an diesem Mann zu wecken oder neu zu beleben und seinen Spuren zu folgen. Benn steht beispielhaft für das Leben eines Intellektuellen in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts, mit allen Höhen und Tiefen. Und er bleibt einer der wirklich bedeutenden Literaten und deutschsprachigen Dichter seiner Zeit.
Ich selbst habe im vergangenen Jahr die Anbringung einer Berliner Gedenktafel am Haus von Benns ehemaligem Verleger und Freund Erich Reiss in Berlin-Tiergarten angeregt. Auf dieser Tafel ist auch Benn erwähnt. Sie sehen: Wir arbeiten an der gleichen Sache.
Und noch eines verbindet die Gottfried-Benn-Gesellschaft mit
Frankfurt/Oder: 2009 haben wir hier auf Einladung von Herrn
Rehfeld eine Tagung abgehalten und standen auch vor diesem Haus
Gubener Str. 31a. Die Tage in Frankfurt/Oder, einem Benn-Ort,
haben uns damals so gefallen, dass wir uns seitdem jedes Jahr
in einer Stadt treffen, die mit dem Namen Benn verbunden ist.
Wenn Sie so wollen, verdanken wir das dem Erlebnis dieses Ortes
und seiner Aura.
Vielen Dank, Frankfurt (Oder)!
Ansprache des Oberbürgermeisters, René Wilke:
Sehr geehrte Damen und Herren, meine Herren Oberbürgermeister,
ich kann versichern, Martin Patzelt ist im Herzen bei Euch, habe ihn gerade bei der Lebenshilfe getroffen, da auch gerade wichtige Staffelstabübergabe und als Vorsitzender muss Er da natürlich sein, aber er denkt auch parallel an diese Veranstaltung und zu kommen, ob er es schafft werden wir sehen, dann wären quasi wir alle vollzählig, im Geiste sind wir hier alle vollzählig. Ich freue mich sehr, Sie hier begrüßen zu dürfen und erinnere mich gern an einen Termin zurück, als Herr Bruckhoff und Herr Kannenberg, den ich auch schon hier gesehen habe und Herrn Leisner bei mir im Büro waren und diese Idee vorgestellt haben und erzählt haben, was sie sich denn da sich überlegt haben in der Netzwerkstatt. Mich hat das auch von Anfang an angesteckt, weil ich das eine sehr sehr schöne Idee fand und auch eine angemessene Idee fand. Denn wenn wir durch unsere Stadt gehen, dann wissen wir natürlich, diese Stadt hat gerade in den Kriegsjahren viel verloren und das was wir an Geschichte haben, sichtbar zu machen auch ein Stückchen erfahrbar zu machen, dazu immer wieder den Diskurs anzutreten und an unserer Identität und Identifikation zu arbeiten, das sind ganz wichtige Bausteine auch für die Zukunft, nicht nur für die Vergangenheit.
Dies Gedanken haben sie aufgegriffen, ich glaube auch, dass wir jetzt nach den Torturen der ersten Tafel ein bisschen in Übung gekommen sind und nun die nächsten Schritte gehen können. Ich möchte betonen, dass das natürlich nicht möglich wäre ohne Menschen, die das mit ihrem amtlichen Engagement auf freiwilliger Basis, dann noch mit eigenen Spendengeldern hier machen. Und das ist nicht nur hier der Fall bei dieser Tafel, sondern bei den anderen Tafeln wir das auch so der Fall sein. Dafür herzlichen Dank! Sie gestalten damit unsere Stadt mit und er möglichen etwas, was sonst viel schwerer oder gar nicht möglich gewesen wäre und das ist eine Bereicherung für unsere Stadt, von daher herzlichen Dank an die Netzwerkstadt für die Initiative herzlichen Dank ihnen, fürs nicht nur kommen, sondern auch dabei sein, fürs Mittun, fürs interessiert sein, und fürs auch weiter verbreiten dieser Idee, und allen die daran mitgewirkt haben, danke schön!
Hans Jürgen Rehfeld: Benn und Klabund am Frankfurter Friedrichsgymnasium
Trotz der autobiographischen Schriften „Lebensweg eines
Intellektuellen“ und „Doppelleben“ wissen wir wenig über
Kindheit und Jugend Gottfried Benns, doch mit Stolz betonte er
immer wieder den Besuch eines humanistischen Gymnasiums. Auch
wenn er, wie es in der „Totenrede für Klabund“ heißt, oft an
die Zeit auf dem Friedrichsgymnasium zu Frankfurt an der Oder
zurückdachte, finden sich keine konkreten Aussagen über diese
Jahre.
Die Stadt hatte 1898 knapp 61.000 Einwohner, war Hauptstadt des
gleichnamigen Regierungsbezirkes, Sitz des
Regierungspräsidenten und des Bezirksverwaltungsgerichts.
Seit1694 beherbergte Frankfurt (Oder) das Friedrichsgymnasium, eine ursprünglich mit landesherrlicher Unterstützung gegründete Lateinschule der reformierten Gemeinden der Stadt. Doch schnell errang die Schule eine überregionale Bedeutung: In den Schülerverzeichnissen von 1789 bis Ostern 1904 lassen sich 497 auswärtige Schüler, das sind 45,2%, nachweisen. Die Aufnahme neuer Schüler fand halbjährlich zu Ostern und zu Michaelis (29. September) statt. Die neu aufgenommenen Schüler hatten neben dem Schulgeld in Höhe von 120 Mark ein Eintrittsgeld zu zahlen. Dies betrug in der Vorschule, in Sexta und Quinta 3 Mark, in Quarta und Tertia 4 Mark 50 Pfennig und in Secunda und Prima 6 Mark.
Ob Gottfried Benn, der das Gymnasium seit Michaelis 1897 besuchte, in den Genuss einer Freistelle kam, diese konnte der Direktor gewähren, ist nicht mehr nachzuvollziehen. In dem Gedicht „Pastorensohn“ findet sich jedenfalls ein Hinweis dafür, dass er während der Schulzeit auf Unterstützung angewiesen war:
„In Gottes Namen, denn, mein Sohn / eine feste Burg und Stipendiate, / Herr Schneider Kunz vom Kirchenrate / gewährt dir eine Freiportion.“
Da die Schule seit dem Umzug in den Neubau in der Gubener Straße über kein Alumnat mehr verfügte, sollten die Eltern bei der Auswahl der Pension recht sorgfältig sein, damit den Schülern eine gewisse Aufsicht zuteilwird. Benns Vater nutzte seine guten Kontakte zu Graf Finck von Finckenstein: Dessen Sohn Heinrich Berndt Karl Günther war seit Ostern 1896 Schüler am Friedrichsgymnasium. Mit ihm war Gottfried Benn befreundet, gemeinsam hatten sie den ersten Unterricht in der Dorfschule erhalten. Mit ihm teilte er sich dann auch in Frankfurt (Oder) das Zimmer in der Pension, welche die verwitwete Rechtsanwaltsgattin Agnes Leonhard in der Gubener Straße 31a, nur wenige Meter von der Schule entfernt, betrieb. Doch nicht nur das Pensionszimmer wurde geteilt, man teilte auch das aus der Heimat mitgebrachte Essen:
„Mit welcher Sehnsucht gedenke ich der Zeit, / wo mir eine Mark dreißig lebenswichtig waren, / ja, notgedrungen, ich sie zählte, / meine Tage ihnen anpassen musste, / was sage ich Tage: Wochen, mit Brot und Pflaumenmus / aus irdenen Töpfen / vom heimatlichen Dorf mitgenommen, / noch von häuslicher Armut beschienen, / wie weh war alles, wie schön und zitternd“.
An die irdenen Töpfe mit Pflaumenmus konnte sich auch noch Alfred Henschke, der Dichter Klabund, erinnern, der seit Herbst 1906 das Friedrichsgymnasium besuchte und in der Pension das Zimmer mit dem Unterprimaner Stephan Benn teilte.
Direktor des Gymnasiums war von 1894 bis 1901 der Historiker und Germanist Prof. Dr. Konrad Rethwisch, von den Schülern „der Chef“ genannt. Ihm folgte Georg Schneider, klassischer Philologe, der zu Benns Lehrern zählte. Schneider unterrichtete Geschichte, Erdkunde, Latein, Griechisch und Deutsch. Er machte seine Schüler mit der antiken Literatur bekannt, schriftliche Übersetzungen aus dem Griechischen und ins Griechische bestimmten den Unterricht, ebenso Klassenaufsätze wie „Zeus Wirksamkeit in der Ilias“ oder „Trojas Streitmacht“. Schneider bescheinigte Gottfried Benn auf dem Abgangszeugnis, dass dessen „Kenntnisse in der Grammatik, seine Auffassung der gelesenen Werke und seine Gewandtheit im Übersetzen“ den Anforderungen “genügen“.
Die Ausbildung in den neuen Sprachen gehörte nicht unbedingt zu den bevorzugten Lehrgegenständen des Gymnasiums: Englisch gehörte mit zwei Wochenstunden zu den Wahlfächern und wurde weder von Benn noch von Klabund belegt.
Aus dem Winter 1900/01 stammen die ersten überlieferte Verse Gottfried Benns: „Joachim Trowitzsch zur Erinnerung an die gemeinsame Tanzstunde“. Für den Besuch der Tanzschule „Lenz und Sohn“, benötigten die auswärtigen Schüler die Genehmigung des Direktors, genehmigt werden musste auch der Besuch des städtischen Theaters, das von Klabund wohl relativ häufig besucht wurde.
Nach dem Besuch einer Aufführung von Sudermanns „Stein unter Steinen“ entstand die Parodie „Die edelmütige Dame – Naturalistisch-mystisch-symbolistische Szenen ohne Mord, Blutsturz, Gesang und Tanz in einem Aufzug von Knallfred H.“
Gibt es auf die Lektüre Benns, während der Gymnasialzeit sehr wenige Hinweise, so finden sich für Klabund zahlreiche – die Gedichte Richard Dehmels und Conrad Ferdinand Meyers bedeuteten ihm viel. Auch Arno Holz‘ „Daffnis“ hatten bereits den Gymnasiasten begeistert:
„Nun wirst Du sechzig Jahre alt / (Und bist jünger als die Jüngsten). / Als Sekundaner schwänzte ich die Schule. / Oben auf dem Kleist-Turm: Über dem Föhrenwalde / In der Frühlingssonne / Las ich das Buch der Zeit. / Unten im Tal floß die Oder. / Um meine junge Stirn strömten deine Rhythmen. / Als ich dumpf, wie eine Kröte an der Erde kroch, / Hat mich dein Phantasus beflügelt. / Du hast mit lächelnden Liedern gesungen, Schäfer Daffins. /Ich will dir danken, daß du lebst. /...“
Am 25. September 1903 wurde Gottfried Benn gemeinsam mit sechs weiteren Mitschülern von der Schule entlassen. Sein Abiturzeugnis zeigt ihn nicht als Primus, doch reichten die erbrachten Leistungen, um ihn von der mündlichen Prüfung zu befreien. Die Prüfungskommission entließ ihn, der Medizin studieren wollte, „mit den besten Wünschen für sein ferneres Wohl“.
Klabund lernte ungewöhnlich leicht und wurde bald Klassenprimus, im September 1909 legte er das Abitur ab und ging nach München zum Studium.
Auch nach dem Ende der Schulzeit unterhielten sowohl Gottfried Benn als auch Alfred Henschke weiterhin Kontakte in die Stadt an der Oder: Benns jüngere Brüder besuchten ebenfalls das Friedrichsgymnasium, Stephan sollte später sogar einige Zeit beruflich an Frankfurt gebunden sein. Und Klabund hatte hier Freunde gefunden – Julius Hermann Wilhelm Gebhardt, Sohn des Frankfurter Justizrates Gebhardt, und Grete Balkenholl, die den Freund geheiratet hatte.
Wenn Klabund seine Frankfurter Freunde besuchte, dann musste er immer an der Wilhelm-Apotheke in der Fürstenwalder Straße 3, vorbei, Besitzer war Dr. phil Klabund. Dieser Name, der auch eine mögliche Verbindung zu Klabautermann und Vagabund zuließ, sagte ihm zu und ging in die Literaturgeschichte ein.
Meinungen: Dr. Tim S. Müller, M.A., Museumsleiter, Museum
Viadrina
Lieber Herr Bruckhoff, im Nachgang zur feierlichen und
gelungenen Einweihung der Gedenktafel für Gottfried Benn und
Alfred Henschke übersende ich Ihnen heute drei Fotos, die im am
Freitag vor Ort „geschossen“ habe.
Übrigens habe ich mich schon viermal beim Durchfahren der
Gubener Straße über die Tafel gefreut und damit bin ich
sicherlich nicht allein! Mit ganz herzlichen Grüßen aus dem
Museum Viadrina
Ihr Dr. Tim S. Müller, M.A.